Welt-Hirntumor-Tag

Symptome frühzeitig erkennen.

Heute ist Welt-Hirntumor-Tag. Der VFK e.V. möchte diesen Gesundheitstag nutzen, um über Hirntumore bei Kindern und Jugendlichen zu informieren, die sich grundlegend von solchen im Erwachsenenalter unterscheiden. Mit der Chefärztin der Neurochirurgie der Asklepios Kinderklinik Sankt Augustin, Prof. Dr. Martina Messing-Jünger, haben wir uns über erste Anzeichen, bessere Heilungschancen bei einer frühzeitigen Diagnose und die Behandlung von Hirntumoren bei Kindern und Jugendlichen unterhalten.

Wie viele Patienten mit Hirntumoren kommen zu Ihnen in die Kinderklinik?

Martina Messing-Jünger: „Unser interdisziplinäres Team aus Kinderneurochirurgen und Kinderonkologen behandelt zwischen 30 bis 50 Patienten pro Jahr. Bundesweit erkranken vier von 100.000 Kindern und Jugendlichen an einem Hirntumor. Es ist die häufigste solide Tumorart im Kindesalter, nur Erkrankungen des Blutes, also Leukämien, kommen öfters vor. Jungen sind stärker betroffen als Mädchen. Warum das so ist, ist noch nicht sicher.“

Was ist der Unterschied zwischen Hirntumoren bei Kindern und Erwachsenen?

Martina Messing-Jünger: „Bei Kindern und Jugendlichen können ganz andere und vielfältigere Tumorarten als bei Erwachsenen auftreten. Sie gelten als eigenständige Erkrankung und dürfen nicht mit Hirntumoren im Erwachsenenalter verwechselt werden. Es gibt besondere genetische Voraussetzungen, die zur Entstehung eines Tumors führen können. Zum Teil gibt es Tumorarten, die typisch für eine bestimmte Altersgruppe sind. Einige können ihren Ursprung in der Embryonalzeit haben, weshalb besonders Säuglinge und Kleinkinder daran erkranken. Mein Appell ist, nicht im Internet nach Informationen über Hirntumore zu suchen, denn vieles davon trifft nicht auf die spezifischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zu.“

Woran erkennen Eltern, dass ihr Kind einen Hirntumor hat?

Martina Messing-Jünger: „Oftmals wird der Tumor über längere Zeit hinweg nicht erkannt und kann mitunter sehr groß werden, bevor er Symptome verursacht. Am häufigsten treten Zeichen von zu hohem Schädeldruck auf, was sich durch Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen äußert. Hierbei handelt es sich oft um das sogenannte Nüchternerbrechen, also direkt nach dem Aufwachen auf nüchternen Magen. Ein großer Tumor, der auf das gesunde Gehirn drückt, kann diese körperliche Reaktion verursachen. Ein zusätzliches Abdrücken der Hirnwasserwege kann ebenfalls der Auslöser sein, da sich Hirnwasser aufstaut und den Druck im Inneren des Schädels noch weiter erhöht. Zudem sind in einigen Regionen des Gehirns wichtige Körperfunktionen beheimatet. Wächst ein Hirntumor genau dort, kommt es zu typischen Ausfallerscheinungen, manchmal auch zu einem Krampfanfall.“

Gibt es noch andere Ausfallerscheinungen?

Martina Messing-Jünger: „Lähmungen von Arm, Bein oder Gesicht – häufig nur auf einer Seite – sowie Zittern, Schluckbeschwerden und Gangunsicherheit werden häufig beobachtet. Das passiert insbesondere, wenn das Kleinhirn betroffen ist. Plötzliches Schielen oder andere Sehstörungen können auch ein Anzeichen sein. Die seltenen Tumore, die im Bereich der Hormonzentren wachsen, können außerdem plötzlich ein übermäßiges Durstgefühl oder Hormonstörungen auslösen.“

Was passiert bei Verdacht auf einen Hirntumor?

Martina Messing-Jünger: „Zwei ganz wichtige Untersuchungen sollten zeitnah durchgeführt werden – zum einen eine Kernspintomographie des Gehirns, zum anderen ein Augenarzttermin, um eine sogenannte Stauungspapille auszuschließen und den Grund für eine Sehstörung oder plötzliches Schielen oder Augenzittern abzuklären. Bei Vorliegen einer Stauungspapille, dabei handelt es sich um die Schwellung des Sehnerveintrittes am Augenhintergrund, muss von einem deutlich erhöhten Hirndruck ausgegangen werden. Hier ist Eile geboten, damit keine bleibende Schädigung der Augen und des gesunden Gehirns nachfolgen. In manchen Fällen führt ein erhöhter Hirndruck sogar zu einer unmittelbaren Lebensgefahr, insbesondere, wenn das Kleinhirn betroffen ist.“

Wie ist die weitere Diagnostik?

Martina Messing-Jünger: „Wird tatsächlich ein Hirntumor festgestellt, müssen die jungen Patienten umgehend von Kinderonkologen und Kinderneurochirurgen untersucht werden. Abhängig von den Befunden entscheidet dieses erfahrene Team gemeinsam mit den Eltern über das beste Vorgehen. Hierbei wird nichts dem Zufall überlassen. Für fast alle kindlichen Hirntumore gibt es Behandlungsprotokolle, die das operative und nachfolgende Therapiekonzept vorgeben. Daher ist es so wichtig, dass erkrankte Kinder und Jugendliche in einer Spezialabteilung behandelt werden. Einige kindliche Hirntumore neigen dazu, sich entlang des Rückenmarks auszusiedeln. Solche Geschwülste müssen nicht bösartig sein. Eine zusätzliche Kernspinuntersuchung der Wirbelsäule sollte zur Abklärung veranlasst werden. Ist es durch den Tumor zu Krampfanfällen gekommen, werden meistens Medikamente dagegen eingesetzt, sogenannte Antikonvulsiva. Darüber hinaus wird in der Neuropädiatrie eine EEG-Untersuchung durchgeführt. Bei so einem Elektroenzephalogramm werden Elektroden an bestimmten Stellen des Kopfes angebracht. Sie sind über Kabel mit einem EEG-Gerät verbunden und messen die Aktivität im Gehirn, die in Form einer Kurve auf dem Monitor angezeigt wird.“

Wie werden Hirntumore bei Kindern und Jugendlichen behandelt?

Martina Messing-Jünger: „Bei großen Tumoren, die zu einer Erhöhung des Hirndrucks und eventuell zu einem Aufstau des Hirnwassers führen, bekommen die Patienten meistens sofort nach der Diagnose ein Kortison-Präparat, das lindert schnell ihre Beschwerden. In der Regel werden sie danach innerhalb von 24 bis 48 Stunden operiert. In den meisten Fällen wird das Team der Kinderneurochirurgie versuchen, so viel Tumor wie möglich zu entfernen, im Idealfall vollständig. Heute ist bekannt, dass die meisten Tumorarten eine deutlich bessere Prognose bzw. Aussicht auf vollständige Heilung haben, wenn kein Resttumor mehr vorhanden ist. Leider können jedoch nicht alle Tumore vollständig operiert werden, weil dies zu schweren neurologischen Ausfallerscheinungen führen würde. Je nach Operationsmöglichkeit oder Art des Tumors folgen unter Umständen weitere Behandlungen wie eine Chemo- oder Strahlentherapie. Das ist auch bei gutartigen Tumoren der Fall.“

Wie sind die Heilungschancen?

Martina Messing-Jünger: „Bei Kindern und Jugendlichen treten Tumore im Kleinhirn besonders häufig auf. Etwa 30 bis 40 Prozent davon sind gutartig und alleine durch eine Operation heilbar. Bei manchen Tumorarten wird zunächst nur eine Probe entnommen, eine sogenannte Biopsie durchgeführt. Eine Strahlentherapie sollte bei Kindern so weit wie möglich hinausgezögert werden, um die Entwicklung ihres Gehirns nicht zu gefährden.“

Was ist bei einer Operation zu beachten?

Martina Messing-Jünger: „Hirntumor-Operationen sind heutzutage recht sicher geworden. Mit Hilfe von speziellen Navigationsverfahren und Überwachungstechniken für die neurologischen Funktionen während des Eingriffs, dem Neuromonitoring, kann das Team der Kinderneurochirurgie die gesunden Hirnstrukturen schützen. Schonende Anästhesieverfahren ermöglichen ein Aufwachen schon kurz nach dem Eingriff. Danach können die kleinen und großen Patienten am besten auf der Intensivstation überwacht werden. Die Eltern dürfen ihre Kinder dort sofort besuchen. In der Regel werden die Patienten am nächsten Tag auf die Normalstation verlegt. Dort werden sie mit Hilfe der Physiotherapie schnell wieder mobilisiert. Sind neurologische Störungen vorhanden, schließt sich eine spezielle Reha-Behandlung an. Familienangehörige dürfen bei den Kindern sein und auch über Nacht mit im Zimmer schlafen.“

Haben die Patienten Schmerzen nach dem Eingriff?

Martina Messing-Jünger: „Das Gehirn empfindet keine eigene Schmerzen. Dadurch dass der Kopf durch Bewegungen bei der Mobilisation nicht stark beeinträchtigt wird, ist der Heilungsprozess normalerweise nicht sehr schmerzhaft. Falls die Kinder doch Schmerzen haben, gibt es gute Medikamente, damit sie sich rasch erholen können. In seltenen Fällen staut sich das Hirnwasser auch nach einer Operation. Dann ist die Behandlung des Hydrozephalus, umgangssprachlich besser als Wasserkopf bekannt, notwendig.“

Wie entwickelt sich die Hirntumor-Forschung?

Martina Messing-Jünger: „Derzeit gibt es viele Erfolge, besonders was die Verbesserung der Behandlung betrifft. Dennoch gibt es einige Bereiche, die sich weiterentwickeln müssen. Daher möchten wir am heutigen Welt-Hirntumor-Tag die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft auffordern, die Forschung und interdisziplinäre Zusammenarbeit zu unterstützen. Nur gemeinsam können wir die Therapiemöglichkeiten für Hirntumore bei Kindern und Jugendlichen vergrößern. Hier in der Asklepios Kinderklinik Sankt Augustin planen wir gerade mit dem VFK e.V. und der Elterninitiative krebskranker Kinder (EKKK e.V.) eine Aufklärungskampagne. Damit möchten wir dazu beitragen, das Hirntumore frühzeitig festgestellt und optimal behandelt werden können.“

Wenn Sie Fragen zu Hirntumoren bei Kindern und Jugendlichen haben, schreiben Sie gerne eine E-Mail an Sabine Wondzinski-Moser: foerderverein@vfk-sanktaugustin.de

Wir leiten Ihre Anfrage an die Kinderneurochirurgie und -onkologie weiter. Sobald unsere Aufklärungskampagne über Hirntumore bei Kindern und Jugendlichen an den Start geht, informieren wir Sie hier, auf unserer Facebook-Seite und bei Instagram @vfk.sanktaugustin darüber.

Auf folgenden Internetseiten finden Sie seriöse Informationen zu Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter und zu weiterführenden Hilfsangeboten:

Die Elterninitiative krebskranker Kinder St. Augustin e.V., kurz EKKK, unterstützt Familien in vielen Belangen nach einer Krebs- bzw. Tumor-Operation, Chemotherapie und Bestrahlung. Der Verein finanziert zum Beispiel eine Reittherapie für junge Patienten, die nicht zur Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen gehört. Das Team vermittelt auch zu weiteren Beratungs- und Physiotherapieangeboten: Homepage EKKK e.V.

Auf der Webseite des Behandlungsnetzwerkes HIT, das steht für Hirntumoren bei Kindern und Jugendlichen, finden Sie Informationsmaterialien, Hintergründe über das Krankheitsbild, Angebote wie Eltern- oder Geschwistergruppen und vieles mehr. Das Netzwerk ist ein überregionales, interdisziplinäres Verbundforschungsprojekt der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) und der Deutschen Kinderkrebsstiftung: Homepage Deutsche Kinderkrebsstiftung

Das Informationsportal zu Krebs bei Kindern und Jugendlichen bietet umfassende und qualitätsgesicherte Informationen zu Blut- und Tumorerkrankungen. Es richtet sich an Patienten und Angehörige sowie an Ärzte, Wissenschaftler und andere in der Kinderheilkunde Tätige: Kinderkrebsinfo